43. Aachener Gießerei-Kolloquium Schwerpunkt 2017: Gießwerkzeuge – Im Mittelpunkt der Gussproduktion

Schwerpunkt 2017: Gießwerkzeuge – Im Mittelpunkt der Gussproduktion

Zum mittlerweile 43. Mal fand in Aachen vom 16. bis zum 17.03.2017 das Aachener Gießereikolloquium statt. Die Prämisse der Veranstaltung war es auch in diesem Jahr aktuelle Entwicklungen in der Gießereibranche und ihre Umsetzung in die Praxis zu beleuchten und zu fördern. Die Themenschwerpunkte des Kolloquiums wechseln bewusst jährlich, um auf Dauer ein breites Publikum ansprechen zu können, bei gleichzeitigem Fokus auf ein aktuelles Thema. In diesem Kontext stand das Kolloquium 2017 unter dem Motto „Gießwerkzeuge – Im Mittelpunkt der Gussproduktion“. Ziel sollte es sein, den Bogen zu schlagen von der Beschaffung und Fertigung bis hin zur Handhabung und Nutzung der Werkzeuge. Innovative Konzepte zur systematischen Gestaltung von Gießwerkzeugen und Planungsabläufen wurden genauso betrachtet, wie konkrete konstruktive Fragestellungen, beispielsweise die anforderungsgerechte Temperierung von Werkzeugen. Moderne technologische Trends, wie etwa die generative Fertigung oder Industrie 4.0, fanden im Programm ebenso Beachtung wie aktuelle Themen aus Forschung und Entwicklung.
Eröffnet wurde die Veranstaltung traditionsgemäß im Hörsaal des Gießerei-Institutes vom Leiter des Institutes Prof. Dr. Andreas Bührig-Polaczek. Das Gießerei-Institut zeichnete gemeinsam mit dem Alumni-Verein der Aachener Gießer Familie (AGIFA) e.V. für die Organisation der Veranstaltung verantwortlich, beide wurden dabei tatkräftig durch die RWTH International Academy unterstützt. Nach der Begrüßung nutzte Professor Bührig-Polaczek die Gelegenheit um den Sponsoren des Kolloquiums und den Unterstützern des am Tag zuvor durchgeführten Doktorandenseminars herzlich zu danken. Auch die Unterstützer der traditionellen Pfingst-Exkursion in die USA im Jahr 2016 lobte er noch einmal ausdrücklich und wies daraufhin, dass es ohne das Engagement der Partner aus Verbänden und Industrie nicht möglich wäre den Studenten der Gießereitechnik einen solch wertvollen Einblick sowohl in die Branche in Deutschland, als auch weltweit zu bieten. 2017 findet die Exkursion wieder in Deutschland statt. Inhaltlich wurde es anschließend durch den Rückgriff auf einen Vortrag vom Vorabend spannend, in welchem Herr Dr. Christoph Szasz von der FEV-Gruppe in Aachen über die Zukunft der Motorisierung von Fahrzeugen und Maschinen referierte. Mit diesem Exkurs zum traditionellen Bursenabend, welcher am Vorabend des Kolloquiums in den Räumen der AGIFA stattgefunden hatte, leitete er anschließend zu dem Thema der Tagung und zu den Vorträgen über.
Der folgende erste Vortragsblock am Donnerstag den 16.03.2017 befasste sich mit Fertigungsverfahren und Prozesskonzepten. Herr Dr. Waldemar Sokolowski berichtete zunächst über die Erfahrung der Oskar Frech GmbH + Co. KG mit dem Einsatz generativ gefertigter, konturnaher Temperierungen. Die vorgestellten Konzepte wurden im Anschluss an den Vortrag unter der Moderation von Professor Bührig-Polaczek ausgiebig diskutiert. So wurden etwa Aspekte der Haltbarkeit, der Performance und der Wartungsfreundlichkeit vom Plenum erörtert und erfragt. Auch Erfahrungen aus der eigenen betrieblichen Praxis fanden Eingang in die Diskussion. Ein Aspekt konturnaher Temperierungen leitete dann auch ideal zum zweiten Fachvortrag des Tages über, die Problematik der Gestaltung von Temperierkanälen. Insbesondere für innovative Fertigungsverfahren, wurde die Thematik von Herrn Dr. Michael Herrmann vom Fraunhofer ISE in Freiburg und von Herrn Ullrich Grunewald von der Firma Grunewald dem Publikum anhand des FracTherm®-Algorithmus nähergebracht. Der vorgestellte Algorithmus wurde im Zusammenhang mit der Entwicklung von Solarpanelen auf Basis von bionischer Gesichtspunkte entwickelt und inzwischen auch erfolgreich auf ein Presshaupt der Firma Grunewald angewandt. Während die Fertigung der Strukturen noch Probleme bereitete konnte doch eine erhebliche Verbesserung der Temperierleistung erzielt werden. In Kürze werden auch erste Ergebnisse aus einer Studie anhand eines Druckgießwerkzeugs erwartet. Den Abschluss der Session bildete Herr Dr. Hans Wobbe, welcher für die Firma Yizumi von Kombinationstechnologien Metall/Kunststoff auf Basis des Spritzgießverfahrens berichtete. Der in der Kunststoffverarbeitung bekannte Dr. Wobbe ermöglichte den Teilnehmern der Veranstaltung einmal über die eigenen Verfahrensgrenzen hinwegzuschauen und ggf. neue Ideen für die eigenen Werkzeuge zu entwickeln. So berichtete er etwa vom Einsatz von Würfelwerkzeugen, Drehtellern und vielen weiteren Werkzeug-Spielarten, welche im Spritzguss weitverbreitet sind, im Druckguss aber bislang kaum Beachtung finden. Besonders relevant sind derartige Ansätze für die Kombination etwa des Spritzgießverfahrens und des Druckgießverfahrens, welche an der RWTH Aachen sowohl am Gießerei Institut als auch am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) erforscht wird.
In der folgenden Pause bot sich den Teilnehmern des Kolloquiums die Gelegenheit sich intensiv untereinander auszutauschen und das bisher Gehörte miteinander und mit den Vortagenden zu diskutieren. Des Weiteren boten die Exponate diverser Firmen die Möglichkeit neue Partnerschaften anzustoßen. Ein wesentliches Augenmerk dieser und weitere Pausen lag allerdings auf der Poster-Ausstellung des Doktorandenseminars. Hier zeigten die Doktoranden verschiedener deutsche Hochschulen und Betriebe anhand von Postern ihre aktuellen Arbeiten und stellten sich den Fragen des Fachpublikums. Am Vortag hatten sich die Doktoranden bereits im Zuge des Seminars ihre Themen in Vorträgen vorgestellt, diskutiert und auch die besten Vorträge intern gekürt.
Gestärkt durch die Pause eröffnete Frank Schmidt, Leiter der Arbeitsgruppe Dauerformguss am Institut und Mitglied der AGIFA-Geschäftsführung den zweiten Vortragsblock zum Thema Messen und Regeln ein. Nachdem mit der Elektromobilität und der generativen Fertigung bereits zwei aktuelle Schwerpunktthemen der Branche thematisiert worden waren, ging es im anschließenden Vortragsblock im Wesentlichen um den Themenkomplex Industrie 4.0. Den Auftakt gab Herr Dr. Kai Kerber mit seinem Vortrag „Das Druckgusswerkzeug als Cyber-Physikalisches System“. Im Rahmen des Vortrags gab Herr Dr. Kerber zunächst einen Überblick über die wichtigsten Begriffe der Industrie 4.0 und was sie für die Gießerei-Branche genau bedeuten können. Im Folgenden berichtete er über die Aktivitäten der Firma Oskar Frech GmbH + Co. KG in diesem Bereich und mit welchen Konzepten bereits heute in ausgewählten Betrieben Ansätze zur digitalen Produktion vorangetrieben werden. Dr. Kerber ließ es sich dabei nicht nehmen, auch auf die neue Gießzelle des Aachener Gießerei-Institutes zu verweisen, welche er selbst maßgeblich mitgestaltet hat und welche als Pilotanlage im Bereich Industrie 4.0 dienen soll. Schon im Vortrag von Herrn Dr. Kerber wurde deutlich, wie wichtig eine sorgfältige und sinnvoll gewählte Datenerfassung für den Erfolg im digitalen Zeitalter werden dürfte. Passend dazu erläuterte im Anschluss Herr Uwe Gauermann von der Electronics GmbH in seinem Vortrag „Industrie 4.0: Die Formen werden Digital durch Sensorik“, welche Möglichkeiten im Bereich Sensorik am Markt zur Verfügung stehen. Dabei ging es nicht nur um die oftmals bereits recht umfassende Überwachung der Schließmechanik und des Schussmechanismus im Druckguss, sondern auch um die Überwachung der Vorgänge im Gießwerkzeug und in deren Peripherie. Herr Schmidt schloss nach der folgenden Diskussion den offiziellen Teil der Veranstaltung.
Im Anschluss fand für die Mitglieder der Aachener Gießer-Familie e.V. die Mitgliederversammlung statt. Die Geschäftsführung der AGIFA sowie der Beirat wurden im Zuge der Versammlung neu gewählt. Frau Friederike Feikus übernimmt in Zukunft für Herrn Philipp Weiß und bildet gemeinsam mit den Herren Johannes Brachmann und Frank Schmidt die Geschäftsführung. Herr Dr. Jörg-Christian Sturm wurde als Beiratsvorsitzender gemeinsam mit seinem Stellvertreter Dr. Georg Dieckhues im Amt bestätigt und Herr Timm Ziehm wurde in die Reihen des AGIFA-Beirates aufgenommen. Die AGIFA-Geschäftsführung informierte abschließend über das vielfältige Exkursionsprogramm in 2016, etwa den Besuch des deutschen Gießereitages oder die Besichtigung von Gießereien in den USA. Ab 19 Uhr fanden sich anschließend alle Gäste der Veranstaltung zum Gießerabend in einem stimmungsvollen Ambiente und in geselliger Runde ein. Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, mit Experten Fachgespräche zu führen. Auch Branchenneulingen bot sich die Möglichkeit des Austauschs mit erfahrenen Fachleuten.
Der zweite Veranstaltungstag wurde erneut von Professor Bührig-Polaczek eröffnet. In seinem Vortrag „Beispiele innovativer Zukunftsthemen im Druck- und Kokillenguss“ stellte er die aktuellen Arbeiten am Gießerei-Institut und die hauseigene Vision der Gießerei-Forschung in diesem Bereich vor. Ein Schwerpunkt bildeten dabei aktuelle Ergebnisse im Feld der Fertigung von hybriden Bauteilen im Druckgießprozess unter Einbeziehung der Werkstoffe Stahl, Aluminium und Magnesium sowie den Kunststoffen. In diesem Zusammenhang kam auch Professor Bührig-Polaczek auf die neue Gießzelle zu sprechen und leitete in das neue Themenfeld Industrie 4.0 im Druckguss über, welches das Bild des Institutes in den kommenden Jahren, neben der Werkstoffentwicklung für additive Fertigungsverfahren maßgeblich prägen soll. Abschließend konnte Professor Bührig-Polaczek über die Gründung von „Structural Casting Solutions“ berichten. Hier arbeiten vier Partner, das Gießerei-Institut der RWTH Aachen, Magma, Grunewald und Imperia Automotive Engineering, als Anbieter für den gesamten Entwicklungsprozess der Gussteilentwicklung, mit Schwerpunkt auf den Strukturguss in Karosserie und Fahrwerk, unter einem Dach zusammen. Gemeinsam werden zukünftig integrierte Entwicklungsdienstleistungen rund um das Thema Strukturguss angeboten und durchgeführt.
Neue Wege waren dann auch das Thema der angeschlossenen Vortragsreihe, welche in der Moderation durch Prof. Martin Fehlbier betreut wurde. Der ehemalige Aachener Oberingenieur und heutige Lehrstuhlinhaber an der Universität Kassel begrüßte Herrn Ingolf Schruff von den Kind & Co. Edelstahlwerken sowie Herrn Gert Breuer in Vertretung für Herrn Jean-Marc Segaud von der BMW AG mit ihrem Vortrag „Druckgießformen für die Minimalmengen-Sprühkühlung“. In Ihrem Vortrag stellten sie das Potential, aber auch die Herausforderungen, welche mit dem Einsatz des Minimalmengensprühens einhergehen aus der Sicht eines Stahlherstellers und eines Gießers vor. Genannt seien hier exemplarisch die gesteigerten Anforderungen an das Temperiersystem eines Werkzeugs auf Seiten des Gießers. Seitens des Werkzeugstahls ist der geringere Thermoschock positiv zu bewerten, die oft deutlich konturnäher eingebrachten Temperierkanäle stellen die Stahlhersteller allerdings vor neue Herausforderungen. Im Anschluss an die folgende Diskussion erhielt Herr Sebastian Gierth von der Volkswagen AG das Wort. Er berichtete über strukturierte Werkzeugoberflächen im Schwerkraftkokillengießen und stellte die Frage, inwiefern diese in Zukunft der Weg zu dünnwandigen Gussteilen sein können. Durch die systematische Analyse des Einflusses diverser Strukturen auf der Kokillenoberfläche, ist es gelungen die Eignung bestimmter Strukturen zu verifizieren und für den jeweiligen Einsatzort zu qualifizieren. Zur Validierung der experimentellen Arbeiten wurde abschließend eine Kokille für ein real existierendes Fahrwerksteil gemäß den gewonnen Erkenntnissen modifiziert wodurch eine deutliche Reduktion der Wandstärken erreicht wurde. Die anschließende Pause gab den Teilnehmern noch einmal Luft für Diskussionen, bevor anschließend die finale Vortragssession begann.
Unter der Überschrift „Beschaffung, Konzipierung, Verschleiß“ sollte hier abschließend noch einmal der gesamte Lebenszyklus eines Gießwerkzeugs verdeutlicht werden. Herr Dr. Jörg-Christian Sturm begrüßte als Moderator Herrn Dr. Wolfgang Boos von der WBA Aachener Werkzeugbauakademie als ersten Redner mit dem Vortrag „Werkzeugbeschaffung 4.0 – aktuelle Herausforderung für den Werkzeugbau“. Am Beispiel des VW Golf zeigte Dr. Boos auf, welche Themen den Werkzeugbau und damit die Werkzeugbeschaffung in der jüngsten Vergangenheit beschäftigt haben und noch weiter beschäftigen werden. Das Thema Variantenvielfalt und Flexibilität waren in dieser Hinsicht Kernthemen. Er rief die anwesenden Verantwortlichen dazu auf gezielt die sich bietenden Vorteile moderner „smarter“ Tools zu nutzen um auch langfristig als „Kosten-Nutzen-Optimierer“ am Markt bestehen zu können. Wie wichtig es in diesem Zusammenhang ist schon früh im Prozess moderne CAx-Werkzeuge für die Gestaltung von Werkzeugen zu nutzen, verdeutlichte im Anschluss Herr Thomas Achenbach von der auf Werkzeugbau spezialisierten Firma Krämer + Grebe in seinem Vortrag „Auslegung von Gießwerkzeugen – Benefits einer modernen Methodik“. Er stellte anhand eines Beispiels die Entwicklung des Werkzeugs für das Gieß- und Kernschießwekzeug vor, welche bereits zum Zeitpunkt der ersten Produkt-Analyse durch CAx-Tools sinnvoll unterstützt werden kann. In der Folge erfuhren die Zuhörer wie eine solche Entwicklung im Hause Krämer + Grebe typischerweise abläuft und welche Potentiale dies auch für den späteren Kunden, den Gießer, haben kann. Abgeschlossen wurde die Vortragsreihe von Herr Dr. Sebastian Müller vom Institut für Füge- und Schweißtechnik in Braunschweig, welches sich seit vielen Jahren innerhalb einer eigenen Arbeitsgruppe dem Thema Leichtmetallguss widmet. In seinem Vortrag zur „Berechnung der thermischen Ermüdung von Aluminium-Druckgießformen“ stellte er die für die Gießer problematische Thematik des Formverschleißes aufgrund der thermischen Gegebenheiten des Prozesses detailliert vor. Auf Basis von Materialkennwerten wurde zu diesem Zweck ein Modell entwickelt, dass es ermöglicht die erwartbare Formschädigung bzw. die voraussichtliche Formlebensdauer aufgrund thermischer Schädigung relativ genau vorherzusagen.
Zum Abschluss dankte Professor Bührig-Polaczek noch einmal allen Vortragenden des 43. Aachener Gießereikolloquiums sowie den Moderatoren, den Organisatoren und allen die sonst noch zum Erfolg des Kolloquiums beigetragen haben ausdrücklich. Im Hinblick auf die Inhalte wurde besonders das Engagement des Programmausschusses bestehend aus Prof. Bührig-Polaczek (Gießerei-Institut), Prof. Franz Feikus (Nemak), Dr. Jörg-Christian Sturm und Horst Bramann (Magma), sowie Johannes Brachmann, Frank Schmidt und Philipp Weiß (Gießerei-Institut und AGIFA e.V.) lobend erwähnt. Das Gießerei-Institut und die Aachener Gießer-Familie e.V. blicken erneut voller Freude und Stolz auf ein gelungenes Kolloquium zurück und hoffen auch im kommenden Jahr, in welchem das Kolloquium mit den Formstofftagen Anfang März 2017 einhergeht, auf zahlreiche Besucher in Aachen.

Weitere Informationen, Impressionen und Tagungsunterlagen (für Teilnehmer) unter:
www.aachener-giessereikolloquium.de